Offener Brief vom 25.03.2021 (gekürzte Fassung)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,
werte Fraktionsvorsitzende des sächsischen Landtages,

wir, der Vorstand des Kreisfeuerwehrverband Delitzsch e.V., möchten uns heute mit einem immer dringend werdenden Anliegen an Sie wenden!

Seit dem 16.03.2020 regeln in Sachsen die COVID-19 Bestimmungen mehr oder minder unser aller Leben. Eine noch nie dagewesene Pandemie der Neuzeit, fordert nun die moderne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts heraus und verlangt von uns allen viel ab.
Doch auch schon in den Jahren zuvor hat sich das Einsatzspektrum der Freiwilligen Feuerwehren extrem erweitert und verkompliziert. Mag man als Truppmann/frau oder Truppführer/in noch damit zurechtkommen, monatelang keinen geregelten Dienst durchgeführt zu haben, so erschließt sich seit März 2020 ein viel größeres Problem bei den Führungskräften! Seit mehr als einem Jahr gab es keine umfassenden Führungslehrgänge an der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule Sachsen in Nardt (LFS). Bereits vorher mussten z.B. gewählte Wehrleiter mehr als 10 Jahre auf Ihren Führungskräftelehrgang zum Wehrleiter warten. So wurde durch das Aussetzen beziehungsweise ersatzlose Streichen dieser unerlässlichen Führungslehrgänge im letzten Jahr, ein zusätzlicher Ausbildungsstau verursacht. Von Seiten der Landesregierung kam leider bisher noch kein Signal, wie man diesen Notstand abbauen mag. Es wurde auch kein Gespräch an die Verantwortlichen in den höheren Ebenen angeboten. Stattdessen gab es eine Planungsabfrage zu Brandmeisterlehrgängen für Berufsfeuerwehrleute bis 2029, welche selbst durch das zuständige Landratsamt Nordsachsen in jede Kommune, ungeachtet ob Stadt oder Gemeinde, versendet wurde. Genau diese Maßnahmen fühlen sich an, wie die sprichwörtliche „Faust ins Gesicht“! Seit Jahren wird an dieser Thematik gearbeitet und es passiert subjektiv gesehen nichts.

Schnell kann aber durch diese scheinbare Bevorteilung der Berufsfeuerwehren bei den ehrenamtlichen Feuerwehrkräften der Eindruck einer Zweiklassen Gesellschaft entstehen und das wäre für das Brand- und Rettungswesen in unserer Gesellschaft mehr als schädlich!
Daher unsere Forderung!
Aus unserer Sicht gibt es an dieser Stelle nur eine sinnvolle und nachhaltige Alternative. Veranlassen Sie, in Ihrer Funktion als Ministerpräsident, die zeitweilige Aussetzung oder Verlagerung der Ausbildung zum Brandmeister (B1-Lehrgang) an die jeweiligen Berufsfeuerwehrstandorte Leipzig, Dresden und Chemnitz für mindestens ein Jahr. Die acht Berufsfeuerwehren in Sachsen sollten diese Ausbildung auch in Eigenregie durchführen können. Erste positive Signale gab es dazu bereits in der jüngeren Vergangenheit. Veranlassen Sie die Freilenkung der Ressourcen an der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Nardt von Zusatzangeboten, welche nur eine geringe Teilnehmerzahl der letzten fünf Jahre aufweisen. Führen Sie, statt dieser Lehrgänge, gezielt Gruppenführer-, Zugführer-, Verbandsführer-, und Wehrleiterlehrgänge für Freiwillige Feuerwehren durch. Denn ohne neu ausgebildetes Führungspersonal, wird sich die bereits bestehende Lücke zu einem riesigen Loch entwickeln. Bedenken Sie, dass Sie auf der einen Seite als Landesregierung gewisse Normen den Kommunen auferlegen, was die Leistungsbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehren anbelangt und andererseits werden keine Ausbildungsangebote für eben jene Führungsebenen in ausreichender Anzahl vorgehalten. Einsatzführer brauchen ihre Sonderausbildung, um die Gefahrenabwehr auch fachmännisch und zum Wohle der eigenen Einsatzkräfte durchzuführen. Anspruch und Wirklichkeit dürfen hier nicht so weit auseinanderliegen.
Setzen Sie ein Notprogramm für die ausgefallenen Lehrgänge des Jahres 2020 an der LFS auf, notfalls auch auf Ebene der Landkreise. Denn dass dies möglich ist, zeigen uns die bereits exemplarischen Schulungen von Technische Hilfeleistung (TH) und ABC Lehrgängen sowie Gruppenführerlehrgängen in jüngster Vergangenheit! Sorgen Sie dafür, dass uns diese Pandemie nicht in wenigen Jahren mit voller Wucht trifft, weil wir im Hier und Jetzt Versäumnisse haben aufkommen lassen. Diese schaden, wie bereits erwähnt, unsere Bevölkerung nachhaltig auf dem Gebiet des Brandschutzes und des Rettungswesens. Die über 42.000 Mitglieder der Feuerwehren sind motiviert, ehrenamtlich einen wichtigen und dabei auch gefährlichen Beitrag für unsere Zivilgesellschaft zu leisten. Wenn es diese Bürgerinnen und Bürger, welche ihre Freizeit zum Wohle und Schutz Anderer zur Verfügung stellen, nicht gäbe, würden es täglich mehr als nur ein paar wenige „Pandemieprobleme“ geben, welche Sie, als Landesregierung, dann herausfordernd lösen müssen.
Die Zeit drängt!
Sehr geehrter Ministerpräsident, erlauben Sie uns das vorgenannte mit einigen Beispielen zu unterlegen. Vor fünf Jahren wurde mit sehr viel Nachdruck, der § 11 des SächsBRKG mit der seit 2006 bestehenden Sächsischen Landesrettungsdienstplanverordung verknüpft und die Integrierten Rettungsleitstellen (ILRS) stückweise ins Leben gerufen.

Grundsätzlich ein effizienter Gedanke, nur wie arbeiten diese IRLS? Diese Leitstellen können in ihren Dispositionssystemen nicht zwischen ländlichen Raum und Stadt oder gar Großstadt unterscheiden und so disponieren sie grundsätzlich auf dem Großstadtniveau. Das wiederum stellt verständlicherweise in ländlichen Kommunen mit einem oder zwei Stellplätzen für Einsatzmittel gewisse Alarmierungsprobleme dar. Insbesondere zeigen sich in diesen Bereichen wieder die fehlenden Ausbildungslehrgänge für die Funktionen Gruppen-, Zug- und Verbandsführer.
Ausgehend vom SächsBRKG und den einschlägigen Dienstvorschriften führen nach einer gemeinsamen Alarmierung von Feuerwehr und Rettungsdienst die Führungskräfte der Feuerwehren den Einsatz. Die IRLS disponiert nach der bereits erwähnten Sächsischen Landesrettungsdienstplanverordung und wird bzw. kann auch rechtlich nicht davon abweichen. Nur wenn keine, für die Führungsebene ausgebildeten Feuerwehrkräfte nachrücken, wie soll denn dann die gesetzmäßige Abfolge funktionieren? In diesen Fällen verstoßen auch Landesbedienstete ungewollt gegen eigene Festlegungen im Freistaat Sachsen. Die IRLS der Berufsfeuerwehren jedenfalls fordern durch die Landratsämter, als untere Brandschutzbehörde, von den Kommunen die Alarm- und Ausrückordnung im IDAS System selbst zu pflegen und verlagern so die fachlichen Verantwortlichkeiten. So etwas funktioniert jedoch nicht ohne fachliche Ausbildung. Diese und noch viele weitere hier nicht aufgeführten Beispiele treiben uns als Kreisfeuerwehrverband Delitzsch e.V. um und lähmen systematisch den Schutz unserer Bevölkerung im Bereich des Brand-, Rettungs- und Katastrophenschutzes.
Nur noch so viel, erst werden die Kräfte der Feuerwehr alarmiert und später die Kräfte des Katastrophenschutzes. In jedem Fall aber sind diese Menschen ohne Ausnahme die gleichen Gesichter und das sollten wir bei all den Überlegungen nicht vergessen.
Werter Herr Ministerpräsident Kretschmer, uns im Vorstand des Kreisfeuerwehrverbandes Delitzsch e.V. ist durchaus bewusst, welche schwierige Zeit gerade durchlaufen wird und welche Last auf Ihren Schultern liegt. Wir als Funktionsträger im Brand- und Rettungswesen wissen jedoch auch, dass manche Prozesse mitunter mehrere Jahre brauchen, bis sie zur Vollendung gelangen. Dennoch handeln Sie, genauso wie wir, als Funktionsträger der Feuerwehren, es vermittelt bekommen, “vor die Lage denkend“. Also jetzt!

Wolfgang Wenzel Ralf Osthoff

Der Vorstand des Kreisfeuerwehrverbandes Delitzsch e.V.

Ehrenabzeichen der KJF Delitzsch